Im Gespräch mit Patrick Siegrist

Dr. med. Patrick Siegrist arbeitet seit Juli 2019 im HerzZentrum. Er ist Facharzt für Kardiologie.

Wie haben Sie sich im HerzZentrum eingelebt?

Ich musste mich gar nicht mehr einleben, ich war schon einmal hier. 2010/2011 habe ich in einer Praxis mitgearbeitet und fand es schon damals «lässig», sowohl in menschlicher wie auch in fachlicher Hinsicht. Ich schätze es sehr, dass man hier das gesamte Spektrum der Kardiologe unter einem Dach findet und sich austauschen kann.

Es dürfte nicht allzu viele Ärzte in der Schweiz geben, die wie Sie in Japan gearbeitet haben... Wie kam es dazu?

Nach Erlangung des Facharzttitels für Kardiologie wollte ich mich noch in invasiver Kardiologie weiterbilden, aber im Ausland. In den USA war ich bereits. Ich habe dann über den Kollegenkreis einen Radiologen kennengelernt, der in Japan arbeitete und von diesem Land schwärmte. Dank seiner Vermittlung habe ich am Universitätsspital Osaka eine Ausbildungsstelle gefunden. Statt eines geplanten Jahres bin ich dort dann aber über vier Jahre geblieben. Es hat mir sehr gefallen.

Gibt es nennenswerte Unterschiede zwischen der Kardiologie in Japan und derjenigen in der Schweiz?

Ja, die gibt es. In Japan hatten wir es mit etwas weniger Fällen pro Tag zu tun, was uns Zeit gab, uns länger mit einem Fall zu befassen, in die Details zu gehen und die Gefässe mit verschiedenen bildgebenden Verfahren zu analysieren. Für mich als Lernender war das sehr nützlich. So konnte ich mich mit allen Problemen vertieft und in Ruhe auseinandersetzen. Mein Lehrmeister nahm sich sehr viel Zeit. Alle Fälle wurden vor- und nachbesprochen.

Und worin waren Sie beruflich konkret aktiv?

Ich habe mich insbesondere mit einer Subspezialität im Bereich der perkutanen koronaren Intervention (PCI) befasst, die massgeblich in Japan entwickelt wurde. Es geht dabei um ein kathetertechnisches Verfahren, konkret um Wiedereröffnung von chronisch verschlossenen Koronararterien. Das Zentrum in Osaka ist bekannt für komplexe koronare Interventionen, vor allem für chronisch totale Koronarverschlüsse. Mein japanischer Mentor und Chef ist auf diesem Gebiet sehr bekannt und kompetent. Ich erhielt die einmalige Gelegenheit, ihn an zahlreiche Auftritte auf der ganzen Welt zu begleiten und mit ihm diese komplexen Interventionen durchzuführen.

Bedeuten denn komplexe Interventionen auch sehr risikoträchtige Eingriffe?

Sie beinhalten schon mehr Risiken. Die Behandlung eines chronischen, kompletten Verschlusses einer Koronararterie erfordert aber vor allem grosses technisches Geschick. Wenn man das Handwerk beherrscht, liegt das Risiko nicht wesentlich höher als bei einer anderen Intervention. Das in Japan verwendete Verfahren gab es in der Schweiz damals noch nicht und es ist auch heute noch nicht stark verbreitet. Aber die Bedeutung nimmt zu.

Worin besteht denn das Komplexe an dieser Intervention?

Das chronisch verschlossene Arteriensegment kann mit der konventionellen Angiographie nicht sichtbar gemacht werden, da kein Kontrastmittel fliessen kann. Somit muss man sich auch mit anderen Formen des Imaging, der Bildgebung des Herzens, auskennen. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, mit den Werkzeugen (Koronardrähte, Mikrokatheter, Ballonkatheter) dem unsichtbaren Gefässverlauf folgen zu können, eine Verbindung zwischen dem Gefässlumen vor und hinter dem Verschluss herzustellen, ohne dabei das Gefäss massgeblich zu verletzen.

Wie wurden Patienten mit diesem Krankheitsbild eigentlich früher behandelt?

Entweder mit Medikamenten oder dann mit einer Bypass-OP. Das gibt es natürlich beides auch heute noch. In der Fachwelt ist man sich noch uneinig, welche Verschlüsse aufgemacht werden sollen und welche nicht und ob überhaupt. Zumindest bei einer nachweislichen Myokardischämie, das heisst, wenn Herzmuskelgewebe an grossem Sauerstoffmangel leidet, plädiere ich selber klar für eine Öffnung. Auch Patienten, die trotz optimaler medikamentöser Therapie weiterhin an Angina pectoris leiden, können nachweislich von einer Eröffnung einer chronisch verschlossenen Koronararterie profitieren.

Bis jetzt haben wir vor allem beruflich über das Herz gesprochen. Gibt es auch jemanden, dem Ihr Herz privat gehört?

Natürlich. In Japan habe ich nicht nur viele neue Freundschaften geschlossen, sondern auch meine Frau kennengelernt, die ich im letzten Jahr geheiratet habe. Wir reisen regelmässig zwischen den beiden Ländern hin und her, sowohl aus privaten wie auch aus beruflichen Gründen. Ich hätte mir durchaus eine medizinische Tätigkeit in Japan vorstellen können, mir gefällt es sowohl dort wie in der Schweiz. Aber unser medizinisches Staatsexamen wird in Japan nicht anerkannt. Ich hätte es nachholen müssen und erst noch auf Japanisch... Das hätte noch ein Studium erfordert.

Tun Sie auch persönlich etwas für ein gesundes Herz?

Im Winter bewege ich mich gerne auf Skis und erkunde die Bergwelt auf Skitouren. Auch im Sommer liebe ich Bergwanderungen. Im Berufsalltag gehe nach der Arbeit gerne im Wald joggen.